Vortrag von Mitglied Fritz Baur: “Einwohnerwehr wacht über Strafanstalt von 1919 bis 1921”
Mit einem weißen Fleck in der Aichacher Stadtgeschichte befasste sich der Geschichtsstammtisch des Heimatvereins Aichach. Fritz Baur berichtete aus von ihm gesammelten und eingesehenen Zeitungsberichten über die Einwohnerwehr von Aichach von 1919 bis 1921. Zu diesem Thema haben sich nur wenige Unterlagen erhalten.
Die Zeiten unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg waren unruhig. In Bayern hatte sich eine Räteherrschaft gebildet. Der Regierung unter Ministerpräsident Johannes Hoffmann fehlte eine zuverlässige Truppenmacht. So gestattete sie, Soldaten gegen Sold anzuwerben. Der Dienst habe dem von Berufssoldaten entsprochen, so Baur.
Es entstanden Freiwilligenverbände, die auch als Freikorps bezeichnet wurden. In Aichach bestand vorläufig keine Gefahr von Ausschreitungen. Dennoch rief der Aichacher Arbeiter-, Bauern- und Bürgerrat am 22. Februar 1919 zum Eintritt in eine freiwillige Volkswehr „innerhalb von drei Tagen“ auf. Dieser Aufruf dürfte nicht sehr erfolgreich gewesen sein.
Die Frist zum Eintritt wurde verlängert. Es folgten mehrere Aufrufe. Aber es hatten sich, so Baur, „keine Leute gemeldet“. Damit war der erste Versuch, eine Einwohnerwehr zu gründen, erledigt.
Nach den Kämpfen um München folgte mit einem Aufruf des Stadtmagistrates und des Arbeiter- und Bauernrates vom 29. April ein weiterer Versuch, eine Einwohnerwehr in Aichach aufzustellen. Nun habe tatsächlich am 6. Mai 1919 eine Zusammenkunft im großen Rathaussaal stattgefunden, so der Referent.
Inzwischen hatten sich 180 Mann zur Einwohnerwehr gemeldet. Zum Kommandanten wurde Anton Balleis gewählt. Dessen Stellvertreter wurde Konrad Schöffmann.
Als Zeichen der Zugehörigkeit zur Einwohnerwehr hatten deren Mitglieder Armbinden zu tragen. Gedacht war die Einwohnerwehr in erster Linie zur Bewachung von Lebensmitteln. Ob es dazu gekommen ist, ist nicht überliefert. Als erste Aktivität war laut Baur festgelegt worden: „Die hiesige Einwohnerwehr wird ab 6. Oktober die Bewachung der Strafanstalt Aichach übernehmen.“
Am 4. Dezember wurde in der Zeitung vor dem Betreten des Sommerkellers gewarnt.
„Dieser werde nachts von der Einwohnerwehr scharf bewacht.“ Diese beiden Hinweise waren die einzigen konkreten Mitteilungen über die Einsätze der Aichacher Einwohnerwehr. Eingeladen war sie mehrmals zu „Übungs- und Schulschießen mit scharfen Patronen“. Geschossen wurde mit Gewehr, Maschinengewehr und Leuchtpistole. Es wurden auch Handgranaten geworfen.
Im August 1919 hatte sich der Verwalter der Strafanstalt beklagt, dass die „den Gemeinden zugeteilten Waffen zu sehr ungelegenen Zeiten abgeholt werden“. Es gab also auch in den Landgemeinden Einwohnerwehren.
In Aichach war im März 1920 Konrad Schöffmann zum neuen Kommandanten und Georg Geistbeck zu seinem Stellvertreter gewählt worden. Inzwischen verlegten die Mitglieder der Aichacher Einwohnerwehren ihre Aktivitäten auf friedliche Preisschießen.
Im August 1920 fand das erste Preisschießen der Einwohnerwehren des Bezirkes Aichach „auf der neu ausgebauten Schießstätte“ der Aichacher Feuerschützengesellschaft statt. „Über 500 Wehrmänner aus allen Wehren des Bezirks waren zum Schießen zu Fuß, per Rad oder auf festlich geschmückten Wagen in Aichach erschienen“, stand seinerzeit im Amtsblatt, so der Referent.
Gewinner der Ehrenscheibe war Peter Kopfmüller (Thalhausen) vor Xaver Lechner (Rehling), Xaver Bergheimer (Affing) und Fritz Gutschon (Aichach). „Das beste Blättchen für die Ehrenscheibe von der Kreisleitung (der Einwohnerwehren) erschoß sich Matthias Seel, Stumpfenbach.“ Gewinner der Ringscheibe war Anton Freiberger (Aichach) vor Paul Bießinger (Todtenweis) und Anton Deiser (Sielenbach).
Die Entente verlangte mittlerweile die Auflösung der Einwohnerwehren. Mit dem (deutschen) Entwaffnungsgesetz vom März 1921 waren auch die bayerischen und damit auch die Aichacher Einwohnerwehren bereits wieder am Ende.
Zum Bild: In der zweiten Reihe als Vierten von rechts (Blick nach links, mit Schnauzbart, heller Hut) hat Kreisarchivpfleger Wolfgang Brandner den damaligen Lehrer Johann Vogel aus Unterschneitbach ausgemacht.
(Quelle: Augsburger Allgemeine – Anton Mayr – Onlineausgabe vom 17.05.2019)